Schätzung der Aeroben Schwelle anhand von HRV

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Seit neuestem hat Runalyze ein neues experimentelles Feature: Für Aktivitäten mit HRV-Daten (bzw. RR-Intervallen) kann die aerobe Schwelle geschätzt werden (bzw. es wird zumindest versucht).

Die Idee dafür stammt aus zwei aktuellen Veröffentlichungen von Gronwald [1] und Rogers [2] und einem Python-Workbook von Marco Altini. Dafür wird die Aktivität in Abschnitte bestimmter Länge (aktuell: 3 Minuten) geteilt und abschnittsweise der sogenannte DFA-alpha1-Wert bestimmt. In den genannten Veröffentlichungen wurde ermittelt, dass ein alpha1-Wert von etwa 0,75 der aeroben Schwelle entspricht. Bei höherer Anstrengung sinkt der Wert auf etwa 0,5.

Dadurch lässt sich – in der Theorie – abschnittsweise bestimmen, ob man unterhalb oder oberhalb der aeroben Schwelle trainiert hat. Außerdem lässt sich, wenn genügend zuverlässige Daten vorliegen, durch eine Regression die exakte aerobe Schwelle (als Leistung/Geschwindigkeit/Herzfrequenz) schätzen. In der ersten Veröffentlichung [1] wurde dies beispielhaft für Daten von Stufentests erfolgreich durchgeführt. Aktuell wird gehofft, dass diese Schätzung aber auch für beliebige Aktivitäten möglich ist.

In der Theorie klingt das hervorragend – in der Praxis hat sich das bei unseren bisherigen Tests allerdings nicht bestätigt. Dennoch möchten wir Euch dieses experimentelle Feature zur Verfügung stellen, um gemeinsam mehr Erfahrungen damit zu sammeln. Denn sowohl die derzeit gewählten skalaren Parameter als auch das Vorgehen für die Regression und mögliche Voraussetzungen, die die Daten bzw. die Struktur des Trainings erfüllen müssen, sind nicht in Stein gemeißelt.

Beispiel: Steigerungslauf

Schauen wir uns einfach ein Beispiel an. Hierbei handelt es sich um eine etwa einstündige Aktivität auf dem Laufband, die größtenteils einen Steigerungslauf von 4:45/km bis 3:45/km (bzw. 68-87%HFmax) beinhaltet.

Herzfrequenz- und Pace-Diagramm der Beispielaktivität

Wenn wir nun die Schätzung der Aeroben Schwelle für diese Aktivität öffnen, ist standardmäßig nur der Abschnitt mit den Ergebnissen geöffnet. Wir werfen hier aber auch einen Blick auf die anderen Abschnitte.

Einstellungen

Diese Einstellungen können von Experten bzw. zum Testen beliebig geändert werden. Vor allem die Window Length und SDNN Threshold können einen großen Einfluss auf die Ergebnisse haben.

  • Window Length: Länge der Abschnitte in Sekunden. Standardmäßig wird die Aktivität in Abschnitte à 3 Minuten unterteilt.
  • SDNN Threshold: Grenzwert für SDNN. Abschnitte mit größerem Wert werden nicht für die Regression verwendet.
  • Artifact Correction Threshold: Relativer Grenzwert, um Artefakte aus den RR-Intervallen zu entfernen. (Standard: 10%)
  • DFA-alpha1 for Aerobic Threshold: Bei welchem alpha1 wird die Aerobe Schwelle vermutet und geschätzt?

Daten

Die wichtigste Grundlage für das ganze Verfahren sind natürlich die Rohdaten, also die RR-Intervalle (oder auch Beat-to-Beat-Intervalle, die Abstände zwischen den einzelnen Herzschlägen). Diese können hier grafisch untersucht werden, wobei im hier gezeigten Diagramm der RR-Intervalle die als Artefakt erkannten Werte rot gekennzeichnet sind. Die anderen beiden Diagramme zeigen nur die zulässigen Datenpunkte. Außerdem können die Daten (sowohl RR-Intervalle als auch Zeitreihen für Geschwindigkeit etc.) für eine weitere Verarbeitung mit eigenen Tools im JSON-Format exportiert werden.

Ergebnisse

Anschließend werden die Ergebnisse dargestellt. Für jeden Abschnitt werden DFA-alpha1, SDNN, RMSSD und die Durchschnittswerte für Herzfrequenz, Leistung und Geschwindigkeit ermittelt. Abschnitte, deren SDNN-Wert oberhalb der zulässigen Grenze liegt, werden direkt ausgegraut. Auch diese Tabelle lässt sich für eine eventuelle Weiterverarbeitung als CSV- oder JSON-Datei exportieren.

In der grafischen Darstellung sehen wir zunächst nur die Alpha-Werte im Zeitverlauf. Dabei fällt bereits auf: Die Werte liegen quasi alle nahe des Schwellwerts von 0,75 bzw. unterhalb. Gehofft hätten wir, dass die Werte im Zeitverlauf mit zunehmender Intensität abnehmen. Möglicherweise war die Intensität zu Beginn der Steigerung mit 4:45/km bereits zu hoch, die aerobe Schwelle also überschritten (aus Sicht des Athleten ist das allerdings noch Wohlfühltempo).

Über die Radio-Buttons kann man die Ansicht z.B. auf die Regression für die Leistung umstellen. Die Regressionslinie sollte allerdings sinken und nicht wie in diesem Fall ansteigen. Daher auch der Warnhinweis: Diese Ergebnisse sind nicht zulässig.

Fazit

Wir haben an diesem Beispiel gesehen, dass wir mit dem bisherigen Ansatz noch nicht für alle Aktivitäten zuverlässige Schätzungen erhalten. Möglicherweise sind die bisher von uns getesteten Aktivitäten unzureichend, vielleicht sind aber auch die Parameter noch ungünstig gewählt, die Artefakt-Bereinigung noch nicht gut genug oder die Regression noch nicht optimal an die Bedingungen angepasst.

Wir freuen uns dennoch, wenn ihr das Tool bereits ausprobiert und eventuell eigene Verbesserungsvorschläge habt.

Siehe auch

Literatur

  1. Gronwald, T., Rogers, B., Hoos, O.: Fractal Correlation Properties of Heart Rate Variability: A New Biomarker for Intensity Distribution in Endurance Exercise and Training Prescription?, Frontiers in Physiology, 11, p. 1152, 2020 doi:10.3389/fphys.2020.550572
  2. Rogers, B., Giles, D., Draper, N., Hoos, O., Gronwald, T.: A new detection method defining the aerobic threshold for endurance exercise and training prescription based on fractal correlation properties of heart rate variability, Frontiers in Physiology, 2020 doi:10.3389/fphys.2020.596567

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